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Fischzucht unter freiem Himmel

Text und Fotos: Helmut Stallknecht

Bevor ich 1994 zum ersten Mal nach Sri Lanka flog, sandte mir H.-G. EVERS die Anschrift einer Züchterei in Homagama, etwa 70 km ostwärts von Colombo. Eine meiner ersten Touren ging in diese Richtung, weil ich als absoluter Fremdling für jeden Ratschlag zum Aufenthalt in diesem Land nur dankbar sein konnte.

NORBERT WÖLFEL, der deutsche Inhaber der Firma, erläuterte mir die Situation des noch im Aufbau befindlichen Zucht- und Großhandelsunternehmens und führte mich durch die Anlage. Ich sah Fische von guter und sehr guter Qualität, stellte aber schnell fest, daß insgesamt recht geringe Vergleichsmöglichkeiten mit europäischen Zuchtbetrieben bestehen.

Um zwei Dinge muß man die in tropischen Ländern arbeitenden Züchter beneiden: Wärme ist kostenlos, und Wasser von guter Qualität steht ausschließlich für die Kosten der Förderung mit Pumpen zur Verfügung. Arbeitskräfte sind zwar nicht mehr für die sprichwörtliche „Handvoll Reis“ zu haben, doch findet man nur selten Menschen mit dem für die Zucht von Aquarienfischen erforderlichen Einfühlungsvermögen. Fisch, auch kleiner Fisch, ist Nahrungsmittel. „Luxusfische“, in Zimmeraquarien zur Beobachtung gehalten, sind soweit von der Vorstellungswelt der meist sehr kärglich lebenden Bevölkerung entfernt, daß der sorgsame Umgang mit ihnen und deren Brut nur mühsam vermittelt werden kann. So dauert es lange, ehe sich ein „Stammpersonal“ herausgebildet hat, das weitere neue Leute anlernen kann.

Welche Fische werden dort vermehrt? Guppys, Schwertträger, Platys, Mollys und Skalare in verschiedenen Zuchtformen, Pracht- und Sumatrabarben, Zebrabärblinge, einige Salmler der unteren Zuchtschwierigkeitsklasse sowie Trichogaster-Zuchtformen. Auch Goldfische sind beliebt, aber nur in wenigen Zuchtformen vorhanden.

Seltsamerweise wird auch nicht eine der zahlreichen einheimischen Arten für den Export gezüchtet. Purpurkopf-, Stirnstrich- oder Cumingibarben, Riesendanios, Indische Buntbarsche oder die dort lebenden farbenprächtigen Hechtlinge, von Perlmuttbärblingen einmal ganz abgesehen, gelten als schwierig zu hältern! Mit Zuchtversuchen befaßt sich niemand, zumal es für eine Anzahl von Exporteuren Lizenzen für den Fang und den Export gibt. So werden diese einheimischen Arten abgefischt, kurz zwischengehältert und nach Amerika, Japan und Europa versandt.

Um den Artenbestand müßte man keine Befürchtungen haben, obgleich die Verbreitung im Einzelnen noch immer recht ungenau bekannt ist. So geisterte vor Jahren einmal die alarmierende Nachricht durch die aquaristische Presse, daß Purpurkopfbarben in ihrem Bestand gefährdet seien. Tatsächlich läßt eines der bekanntesten Vorkommen im Süden der Insel ein drastisches Zurückgehen aller dort registrierten Arten erkennen. Das hat aber nichts mit dem Abfischen zu tun. Daneben gibt es Purpurkopfbarben noch in zahlreichen, vorher nicht registrierten Bächen und Flüssen, zum Teil unter Bedingungen, wo man nicht mit ihnen rechnen würde.

Neben unübersehbaren Veränderungen der Gewässer durch landwirtschaftliche Nutzung der sie umgebenden Ländereien (Abholzung, Düngung, Abwässer) spielt aber eine weitaus größere Rolle, daß - von wem bloß - in vielen Gewässern Sri Lankas „Tilapien“ ausgesetzt wurden. 

Diese faunenfremden afrikanischen Buntbarsche eroberten durch ihre geringe Spezifizierung auf ökologische Bedingungen nicht nur die Gewässer, in die sie ausgesetzt wurden. Die einheimische Bevölkerung entnahm die Tiere aus den künstlichen Seen, die alle fürsorglichen Könige seit Jahrhunderten anlegen ließen und verbreiteten sie überall.

Gibt es denn nicht Fisch genug in Sri Lanka? In den Küstenregionen gewiß. Aber im Hügelland sowie in der zentralen Region ist es vor allem ein Transport- und Konservierungsproblem. In den Gewässern gibt es zwar mit Schlangenkopffischen, verschiedenen Welsen und Großbarben durchaus eßbare einheimische Großfische. Es hat aber etwas mit der Nahrungspyramide zu tun, wieviele der räuberischen Schlangenkopffische nachwachsen können. Immerhin braucht solch ein Tier, um über einen halben Meter groß zu werden, tausende von Kleinfischen als Nahrung.

Die auch mit Pflanzenkost heranwachsenden Tilapien aber sind zwar ebenfalls hinter Brut und Kleinfischen her, sie haben aber jeweils große Mengen von Nachkommen. Da haben einheimische Fische keine Chance. Der heilige Teich in Kandy am Zahntempel enthält soviele dieser Cichliden, daß sie vor Sauerstoffmangel die Köpfe bis fast zu den Kiemendeckeln aus dem Wasser stecken.

Spricht man mit Aquarienfischzüchtern über die Situation der einheimischen kleinen Arten, so stößt man auf recht wenig Interesse. Von meinen Fängen gab ich Danio malabaricus, Rasbora daniconius und Barbus titteya in eine Züchterei. Sie sind technologisch ebenso leicht zu vermehren wie die dort regelmäßig gezüchteten Pracht- und Sumatrabarben. Man blieb aber lieber bei den Arten, an die man sich gewöhnt hat...

Wie wird nun das Export-Sortiment herangezogen? Neben den größeren Anlagen, in denen allerdings auch nicht gerade professionell größere Mengen von Jungfischen entstehen, gibt es zahlreiche Kleinproduzenten. Sie haben hinter dem Haus Folienteiche, Betonbecken, Aquarien, Fässer, Wannen und Schüsseln, in denen oft ausgezeichnete Zuchttiere schwimmen. Aber mit diesem, zum Teil ausgesprochenen prächtigen Fischen wird hier nur extensiv vermehrt. Ein bis zwei Ansätze im Monat, und von den Jungfischen wird groß, was eben so durchkommt. Von den Barben zwischen 30 und 100 pro Paar und Ansatz, von den Fadenfischen oft nicht einmal so viele, weil das Erstfutter fehlt. Aus finanziellen Gründen wird (im Verkaufspreis gestütztes) kleieartiges Hühnerfutter verwendet. Jungfische, die damit zurechtkommen, wachsen auf.

Je nach Auftragslage eines „Leitbetriebes“ werden dann die vorhandenen Fische dem dortigen Sortiment hinzugefügt. Die Aufkaufpreise sind landesüblich niedrig, und wenn solch ein Züchter 2000 bis 3000 Rupien (etwa 60 bis 90 DM) monatlich erlöst, kann er seine gewöhnlich vielköpfige Familie ernähren. Mehr aber auch nicht. Die Zuchtfische würden die 10- bis 20fache Stückzahl erlauben. Damit aber steigt das Absatzrisiko, sinkt womöglich der Aufkaufpreis, und die ständig nachwachsenden Jungfischmengen würden regelmäßiges und konzentriertes Arbeiten erfordern. Hier stoßen europäische Produktionsvorstellungen und asiatische Überlebensmentalität aufeinander. „Wozu denn mehr, wenn wir leben können?“ wurde ich nicht nur einmal gefragt.

Das bringt auch Probleme für die größeren Züchtereien. Sie befassen sich vorwiegend mit Arten, von denen größere Mengen gebraucht werden und die wir eingangs genannt haben. Ergänzungen des Sortiments durch die kleineren Zulieferer sind nicht verläßlich und die Abnehmer in den Importländern wünschen mehr Stabilität.

Wie arbeiten die größeren Züchtereien? Sie produzieren oder kaufen „baby-fish“ (Brut) oder „fingerlings“ (vorgestreckte Brut) und bringen sie in „ponds“ (Teiche mit befestigten Ufern) oder „mud ponds“. Das sind mit Raupen ausgeschobene oder von Hand ausgegrabene Vertiefungen im Gelände, in die Wasser eingeleitet wird. Besonders im Anstieg zum Hochland, wo das Wasser geradezu opulent herabrinnt, braucht man es nur mit primitiven Rinnen aufzufangen und in diese Teiche einzuleiten. Es passiert diese Anlagen und wird per Überlauf in die abführenden Flüsse geleitet.

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