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Flußhunde – wenig bekannte Raubfische SüdamerikasGaleocharax cf. gulo beim Verschlingen einer Beute

von Kai Arendt

Es ist Trockenzeit. Der Rio Orituco bei Calabozo in den zentralen venezolanischen Llanos hat seinen tiefsten Wasserstand erreicht. Die kurze tropische Dämmerung ist angebrochen, schon bald ist es ganz dunkel und die Geräusche der Nacht lösen jene des Tages ab. Myriaden von Moskitos schwirren schon seit dem Nachmittag und stürzen sich nun hungrig auf uns um unser Blut zu naschen.  Mein venezolanischer Begleiter Pepo und ich waten durch das warme, hier schneller strömende und etwa hüfttiefe Weißwasser des Flusses. Der Grund ist kiesig, manchmal auch schlammig, glitschige und scharfkantige Felsstücke und ineinander verkantetes Wurzelholz bilden unsichtbare Fallen. Ich bewundere Pepo, der alle diese Hindernisse barfuß bezwingt, während ich ihm weit weniger elegant folge. Und das obwohl ich Turnschuhe trage. Mir schießt immer wieder die Warnung der einheimischen Fischer durch den Kopf: Hier soll es Stachelrochen geben. Alle paar Meter schleudert Pepo sein Wurfnetz. Immer ist es voller Fische. Häufig sind verschiedene Loricariiden und große, Detritus fressende Salmler der Art Prochilodus mariae, die hier „Coporo“ heißen und ausgezeichnet schmecken. Einige wissenschaftlich noch unbeschriebene, in Venezuela „Arenca“ genannte Kropfsalmler der Gattung Triportheus mit blutroter Schwanzflosse, größere „Sardinas“, Markiana geayi und Paragoniates alburnus und „Cachamas“, Colossoma bidens mit ihren roten Kehlen, aber auch „Mijes“, Leporinus cf. friderici und sogar ein paar „Caribes“ der Arten Pygocentrus caribe und Serrasalmus medinai zappeln im Netz. Sie werden zum Frühstück für Pepos Familie. Alle kleineren Fische werden ins Wasser zurückgeworfen. Ein weiterer Netzwurf. Im Lichtkegel der Taschenlampe schlägt im triefenden Netz ein bulliger, etwa 30 cm langer, hochrückig und bucklig wirkender silbriger Fisch um sich. Mein Puls geht schneller, sollte es sich...? Ja, das Begehren unserer nächtlichen Expedition, ein ausgewachsener Flußhund, Cynopotamus bipunctatus Pellegrin, 1909, beißt mit schnalzenden Geräuschen in die zum Glück kräftigen Maschen des Netzes. „Este una Payara“ strahlt Pepo. Payara ist nicht nur die venezolanische Bezeichnung für die gewaltigen über 1 m Länge erreichenden Säbelzahnsalmler Hydrolycus armatus sondern auch für die Flußhunde, die hier von der Bevölkerung als „Payara pequena“, also als Jungtiere von Hydrolycus armatus angesehen und bezeichnet werden. Ausgewachsene Flußhunde lassen sich in fast nur nachts fangen, denn die wachsamen und scheuen Tiere fliehen tagsüber bei jeder Bewegung außerhalb des Wassers blitzschnell. Leider suchten wir nach Jungfischen vergebens. Doch noch weitere der erwachsenen Räuber sollten in dieser Nacht ins Netz gehen. Ein willkommener Grund am folgenden Abend nicht nur ein Bier zu köpfen...

Cynopotamus tocantinensis, Rio Araguaia, Brasilen Die sogenannten Flußhunde bilden eine eigene kleine Unterfamilie (Cynopotaminae) innerhalb der Familie der echten amerikanischen Salmler (Characidae). Sie stellen gewissermaßen die größere und noch räuberischer lebende Weiterentwicklung ihrer kleineren nahen Verwandten, der Gattungen Charax und Roeboides aus der Unterfamilie Characinae dar. Von diesen unterscheiden sich die Flußhunde morphologisch durch einen bezahnten Gaumen. Sie besitzen Kammschuppen, was ihnen eine sehr rauhe Körperoberfläche verleiht. Nähere verwandtschaftliche Beziehungen bestehen auch zu den Säbelzahnsalmlern  (Familie Cynodontidae). Drei Gattungen werden innerhalb der Cynopotaminae zusammengefaßt. Cynopotamus Valenciennes, 1849 ist mit derzeit 9 wissenschaftlich beschriebenen Arten die größte Gattung dieser Unterfamilie. Typusart ist Cynopotamus argenteus (Valenciennes, 1837). Sie wurde ursprünglich als Hydrocyon argenteus aus dem Rio de la Plata bei Buenos Aires in Argentinien beschrieben. Heute ungültige Synonyme zu Cynopotamus sind die Gattungsbezeichnungen Cyrtocharax Fowler, 1907 und Hybocharax Géry & Vu-Tan-Tue, 1963.

Bei den Flußhunden handelt es sich um recht große Fische, die je nach Art ausgewachsen Längen von immerhin 15 – 30 cm erreichen. Zu der etwas kleineren Arten der Gattung zählt Cynopotamus essequibensis Eigenmann, 1912 aus den Guyanaländern. Die Körpergestalt der Cynopotamus erinnert stark an jene der Gattung Charax, denn auch sie besitzen hinter dem Kopf jene steil ansteigende Rückenlinie, die den Tieren das Aussehen eines Buckligen verleiht. Der Kopf ist massig, wirkt im Verhältnis zum Körper jedoch relativ klein. Die Schnauzenlänge ist bei den verschiedenen Arten sehr unterschiedlich. Cynopotamus besitzen ein großes, tief gespaltenes Maul mit sehr kräftigen Kiefern, die mit  großen, nadelspitzen Zähnen bewaffnet sind. Sie ermöglichen den Flußhunden selbst größere und kräftigere Beutefische sicher festzuhalten und zu verschlingen. Beim Beuteschlag wird die Maultasche stark gedehnt so daß ein Unterdruck entsteht und der Beutefisch ins Maul gesogen wird. Die großen Augen versetzen die Räuber in die Lage, sich auch in der Dämmerung oder in hellen Nächten noch visuell zu orientieren und erfolgreich Beute zu machen. In der Natur jagen Cynopotamus hauptsächlich zu jener Tageszeit. Bei der Orientierung selbst im trüben Weißwasser hilft auch die gut ausgebildete durchgehende Seitenlinie. Der kraftvolle und muskulöse Körper wird durch eine große, mehr oder weniger stark eingebuchtete Schwanzflosse beschleunigt. Rücken -, Brust – und Bauchflossen sind relativ klein, während die recht lange Afterflosse charakteristisch für die Flußhunde ist. Die grau – grüne Grundfarbe der Fische wird auf den Körperseiten von einem Silberglanz überlagert, der durch Reflektion des Lichtes auf den kleinen Schuppen der Tiere entsteht. Dadurch sind diese Raubfische hervorragend getarnt. Einige Arten zeigen einen breiten, irisierend metallisch grünen Längsstreifen, auch kann ein schmaler dunkler Längsstrich angedeutet sein.. Meist ist ein, je nach Art unterschiedlich geformter Schulterfleck vorhanden. Auch Flecken auf der Schwanzwurzel sind nicht selten. Stimmungsabhängig werden diese Markierungen jedoch von den Fischen nicht immer gezeigt. Über ihre Funktion ist nicht viel bekannt. Sie dürften jedoch bei der Arterkennung eine Schlüsselrolle spielen und auch einen gewissen Schutz als Irreführung flossenfressender und anderer räuberischer Fischarten darstellen. Diese verwechseln die schwarzen Flecken offenbar mit Augen und greifen gewissermaßen auf der falschen Seite an. Auch eine Täuschung der potentiellen Beute ist denkbar. Die Jungtiere einiger Cynopotamus sind sehr hübsche Gesellen. Die in der Jugend noch schlanken und langgestreckten Fische zeigen auf Rücken - und Afterflosse ebenso wie auf der Schwanzflosse und dem Schanzstiel auffällige schwarze Signalmarkierungen, die von leuchtend hellen Feldern umgeben sind. Dieses Muster verblasst leider mit zunehmender Größe der Fische und die Tiere nehmen mehr und mehr das unauffällige Erwachsenenkleid an.

Cynopotamus essequibensis, Guyana, Museum für Naturkunde BerlinCynopotamus sind fast überall im subtropischen und tropischen Südamerika verbreitet. Sie bewohnen sowohl Klarwasser als auch Weißwasserbiotope. In Schwarzwasser scheinen sie seltener zu sein. Meist sind sie in stärker strömenden Gewässern zu finden, während sie sich in stehendem Wasser offensichtlich nur selten aufhalten. In der Natur stehen die Tiere oft lauernd am Rande stark strömender Flußbereiche oder im Strömungsschatten von Felsen, Baumstämmen und Wurzelwerk. Aus diesen Einständen heraus machen sie Jagd auf kleinere Salmler, die in der Strömung vorbeigezogen kommen. Wie wir in Venezuela an C. bipunctatus beobachten konnten, erfolgt der Angriff blitzschnell aus dem Stand. Er spielt sich im Prinzip genau so ab wie bei den kleineren Charax, nur daß die kräftigen und großen Flußhunde in der Lage sind auch viel größere Fische zu schlagen. Der versteckt in Bodennähe lauernde Flußhund erspäht die potentielle Beute, wartet bis sie in Reichweite ist und schießt dann kraftvoll und blitzschnell nach vorn und ergreift nach einem kurzen Abstoppen nach oben schlagend das ahnungslose Opfer. Durch den Sog beim Öffnen des riesigen korbartigen Maules hat es keine Chance zu entkommen und wird mit den spitzen Zähnen unentrinnbar gepackt. Der Räuber dreht ab und verschwindet in seiner Deckung, wo das Opfer im kopfüber heruntergewürgt wird.

Cynopotamus sind revierbildende Fische. Im Rio Orituco in Venezuela leben C. bipunctatus an den Uferböschungen strömungsreicher Flußabschnitte. Wie mir die einheimischen Fischer versicherten, beansprucht die bis zu 30 cm Länge erreichende Art hier Uferabschnitte von etwa 5 m Länge als Revier aus dem trotz des trüben Wassers sämtliche Artgenossen vertrieben werden. So kann man diese Flußhunde auch nur in solchen Abständen mit dem Wurfnetz erbeuten.

Leider gelangen Cynopotamus nur sehr selten einmal nach Europa, so daß Beobachtungen im Aquarium bislang nur sehr sporadisch möglich waren. Dies liegt zum einen daran, daß diese Fische in der Natur in den meisten Gegenden nicht gerade häufig anzutreffen und obendrein recht schwer zu fangen sind, andererseits der Liebhaberkreis für solche Fische sehr überschaubar ist. Der Fang ist also für die kommerziellen Zierfischfänger Südamerikas nur wenig lukrativ. Der Import solcher Fische ist natürlich auch für die hiesigen Importeure und Großhändler ein Risiko. Es ist dem Engagement einiger weniger Zierfischfänger, Großhändler und Händler zu verdanken, daß heute manchmal der Import von Flußhunden und anderen größer werdenden Salmlern gelingt.

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