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Eine
Turmdeckelschnecke aus Venezuela
von Kai Arendt
Seit langer Zeit wird die Malaiische Turmdeckelschnecke, Melanoides tuberculata (Familie Melaniidae (Thiadidae), Überfam. Cerithiidae) in unseren Aquarien gern gesehen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schnecken ist ihr Nutzen in der Aquaristik bei weitem größer als ihre nachteiligen Eigenschaften ins Gewicht fallen. Ihre länglich kegelförmigen Gehäuse erinnern an einige Meeresschnecken und lassen diese Tiere sehr attraktiv erscheinen. In neu eingerichtete Becken setzt man sie um sich ihre Eigenheit zu Nutze zu machen, sich als überirdisch nachtaktive Tiere tagsüber in den Bodengrund zurückzuziehen. Diesen graben sie um, lockern ihn auf und versorgen ihn so mit Sauerstoff. So verhindern sie, daß sich durch anaerobe Prozesse Faulstellen im Bodengrund bilden. Sind die Pflanzen erst richtig verwurzelt, das Aquarium eingefahren, profitieren die Pflanzen in zweifacher Hinsicht von den fleißigen Gräbern. Die Schnecken verhindern nämlich durch ihre Grabtätigkeit eine Verschlickung des Grundes, führen den Wurzeln andererseits aber immer wieder Nährstoffe zu, die sie in den Boden einarbeiten. Überwiegend nachts aber auch manchmal tagsüber gehen die malaiischen Turmdeckelschnecken auch außerhalb des Bodengrundes auf Nahrungssuche. Hierbei werden faulende organische Teile wie abgestorbene Wurzeln, Fischfutterreste und tote, unentdeckt gebliebene Fische von den Schnecken gefressen und so schnell beseitigt. Die potentiellen Fäulnisherde werden von ihnen in Pflanzennahrung umgewandelt und so wird ein gesundes Pflanzenwachstum gefördert. Diese nützlichen Tiere stellen also eine Art Gesundheitspolizei im Aquarium dar und werden daher auch oft als „Regenwürmer des Aquariums“ bezeichnet. Ein weiterer Vorteil der Malaiischen Turmdeckelschnecke ist, daß sie sich nicht an der Bepflanzung selbst vergreift. Nur in Zuchtbecken sind auch diese Schnecken unerwünscht, da nicht auszuschließen ist, daß sie sich über den Laich der wertvollen Zuchttiere hermachen. Bei der Jungfischaufzucht hingegen sind sie von gutem Nutzen, denn in den Aufzuchtbecken wird meist recht stark gefüttert. Ein paar dieser Turmdeckelschnecken vertilgen recht schnell eventuelle Futterreste ehe es zu Fäulnis und damit erheblich verschlechterter Wasserqualität kommt.
Turmdeckelschnecken sind kaum davon abzuhalten, sich im Aquarium zu vermehren. Abhängig vom Nahrungsangebot sind diese, im Gegensatz zu vielen anderen Schnecken lebendgebärenden Tiere äußerst produktiv. Als tropische Lebewesen vertragen sie keine allzu niedrigen Temperaturen. Das Thermometer sollte also möglichst nicht dauerhaft unter 17°C fallen. An die Wasserwerte werden ansonsten kaum Ansprüche gestellt. Allerdings sollte das Wasser nicht zu weich und mineralarm sein, da die Tiere Kalziumionen brauchen um ihre Gehäuse aufzubauen. Diese sind bei der Malaiischen Turmdeckelschnecke sandbeige bis hellbraun gefärbt, durchzogen von braunroten Linien.
Den
April 1994 und Januar / Februar 1997 verbrachten wir in den venezolanischen
Llanos um in dieser Gegend interessante Biotope und ihre Fische aber auch
Pflanzen, Lurche, Reptilien und andere Tiere zu erkunden. Zu dieser Zeit ist
dort Trockenzeit. An Schnecken dachte dabei primär eigentlich keiner von uns,
obwohl in dieser Gegend zwei interessante Apfelschneckenarten vorkommen, nämlich
Ampullarius glaucus mit ihren grasgrünen, an Pflanzen oberhalb der Wasseroberfläche
abgelegten Gelegen und der männerfaustgroßen Riesenapfelschnecke Ampullarius
gigas. Unsere Exkursionen führten wir von unserem Standort, einer kleinen Farm,
der „Granja la Linda“ der Familie Thiemicke, aus durch. Diese Farm liegt in
der Nähe von Calabozo in den zentralen venezolanischen Llanos direkt am Weißwasser
führenden Rio Orituco, einem Nebenfluß des Rio Guarico der seinerseits von
Norden über den Rio Apure in den Orinoco entwässert. Natürlich war der
Orituco schon aufgrund der räumlichen Nähe einer unserer
Erkundungsschwerpunkte. Dieser Fluß beherbergt eine sehr artenreiche
Ichthyofauna. Er ist ein Eldorado besonders für Salmler und Welsfreunde und war
auch für uns stets
Quell neuer interessanter Entdeckungen. So fielen mir bei einem unserer
Erkundungsgänge am Ufer des Orituco in ganz seichtem und warmen Wasser dicke
Polster von Fadenalgen auf. Auf und in diesen saßen, ich glaubte es kaum,
Turmdeckelschnecken in allen Größen. Es mögen Tausende auf wenigen
Quadratdezimetern gewesen sein. Diese Schnecken hatten jedoch warzigere Gehäuse,
als ich es von meinen Turmdeckelschnecken im Aquarium in Erinnerung hatte. Auch
waren sie viel dunkler gefärbt als ihre asiatischen Vettern. Ihre Gehäuse
zeigten nämlich ein schönes dunkles Rotbraun. Später stellte sich die Art als
Pachychilus (Doryssa) ater
heraus. Auch sie gehört systematisch zu den Melaniidae (Thiardae), die
ihrerseits der Überfamilie Cerithiidae innerhalb der Ordnung Prosobranchia (Zygoneura)
zugeordnet ist. Die Bestimmung der Tiere verdanke ich Herr Prof. Dr. Ferdinand
Starmühlner, Wien, dem ich an dieser Stelle noch einmal herzlich danken möchte.
Interessanterweise war die Spitze der Gehäuse schon bei halbwüchsigen
Wildtieren ausgebleicht und teilweise porös. Bei Adulten fehlte die Spitze des
Gehäuses ganz. Dies beeinträchtigte die Tiere aber offenbar in keiner Weise
und ist auf die relative Mineralarmut des Oritucowassers zurückzuführen. Die
Schnecken lösen offensichtlich im Verlauf ihres Wachstums die ältesten Teile
ihres Gehäuses auf um die darin enthaltenen Mineralien für den Ausbau ihres
Hauses zu nutzen. Bei im Aquarium in weichem und mineralarmem Wasser gehaltenen
Turmdeckelschnecken sind ebenfalls
fehlende Gehäusespitzen charakteristisch. Bei der malaiischen
Turmdeckelschnecke kenne ich dieses Phänomen seit langem.
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