4. Die Eutrophierung des Bodensees

Die Entwicklung des Bodensees

Die in den Diagrammen dargestellten Entwicklungen im Bodensee können ab 1950 als Eutrophierung bezeichnet werden.

Definition der Eutrophierung

Die Eutrophierung fasst den Vorgang der zunehmenden Anreicherung eines Gewässers mit Pflanzennährstoffen und die dadurch verursachten Prozesse, die einen fortschreitenden Verfall des Gewässers bewirken, zusammen.

Dieser Vorgang läuft in jedem stehenden Gewässer äußerst langsam auch unter natürlichen Bedingungen ab. Da aber die Eutrophierung des Bodensees weitgehend anthropogenen Einflüssen unterliegt, kann man diese Entwicklung auch als eine Form der regressiven Sukzession bezeichnen.

Faktoren der Eutrophierung, die mithilfe der Diagramme aufgezeigt werden können

Da Phosphat- und Nitrat-Konzentration als Ausdruck für die Menge der vorhandenen Planzennährstoffe oft die limitierenden Wachstumsfaktoren sind, in stehenden Gewässern wie dem Bodensee vor allem Phosphat, stellt der Wert ihrer Konzentration eine charakteristische Größe dar, um festzustellen, ob ein Gewässer einer Eutrophierung unterliegt oder nicht. Deshalb bezeichnet man ihre Konzentration bezüglich der Eutrophierung auch Initialfaktoren. Laut Vollenweider und Kerekes (1980) gilt ein stehendes Oberflächengewässer wie der Bodensee als eutroph, wenn die Gesamtphosphat-Konzentration im Bereich von 0,038 bis 0,189 mg/l liegt. Geht man von der Annahme aus, dass die Gesamtphosphat-Konzentration im Bodensee nahezu identisch mit der Konzentration der Phosphat-Ionen (PO43- ) ist, die im zeitlichen Zusammenhang im obersten Diagramm des Aufgabenblatts aufgeführt ist, so muss sich die Phosphat-Konzentration zwischen 38 mg/m³ und 189 mg/m³ befinden, damit der Bodensee als eutroph bezeichnet werden kann. Dies ist kurz vor 1970 der Fall, da zu dieser Zeit die Mindestgrenze überschritten wird. Weil der Bodensee zu Beginn des Beobachtungszeitraums nach Vollenweider und Kerekes mit einer Phosphat-Konzentration von weit unter 5 mg/m³ als sehr phosphat- und damit nährstoffarm (ultraoligotroph bis oligotroph) angesehen werden kann, muss innerhalb des geologisch sehr kurzen Zeitraums eine anthropogene Eutrophierung des Bodensees stattgefunden haben.

Ein weiteres Indiz für die Eutrophierung des Bodensees ist der durch Nährstoffanreicherung verursachte Folgeprozess des erhöhten Pflanzenwachstums, das insbesondere durch den Anstieg der Phytoplankton-Konzentration mit ihrem zeitlich sehr engen Generationswechsel deutlich sichtbar wird.

Schließlich ist auch die Verminderung der Sichttiefe als Folgeprozess von Nährstofferhöhung und Konzentrationsanstieg des Phytoplanktons ein Beleg für das Auftreten von typischen Folge-Erscheinungen im Entwicklungskomplex der Eutrophierung beim Bodensee.

Weitere Eigenschaften und Erscheinungen der Eutrophierung

Nachdem einige Faktoren der Eutrophierung anhand der vorgegebenen Diagramme genannt wurden, sollen die weiteren Erscheinungen das Verständnis für den Prozesskomplex Eutrophierung verbessern.

Die Häufung der toten Biomasse am Gewässerboden aufgrund der angestiegenen Nettophotosyntheserate verursacht einen Sauerstoffmangel. Dadurch bilden sich Fäulnismilieus aus, die meist im Hypolimnion liegen, und die Bindung von Phosphat an Eisen oder Mangan in schwerlöslicher Form wird durch das reduzierende Milieu rückgängig gemacht. Durch die Fäulnis werden toxisch wirkende Gase wie Schwefelwasserstoff oder Ammoniak gebildet. Letzere Substanz, die den pH-Wert anhebt, entsteht durch die unter anaeroben Bedingungen nicht mehr ablaufende Nitrifikation, die Ammonium-Ionen über Nitrit- zu Nitrat-Ionen abbaut. Wie schon erwähnt wird vor allem durch die Erhöhung der Phytoplanktonkonzentration die Sichttiefe verringert. Aber parallel dazu wandelt die sich verändernde biologische und chemische Zusammensetzung des Wassers auch das Absorptionsspektrum bzw. die Farbe des Wassers. Eine wesentliche Folge der Eutrophierungserscheinungen, die schon genannte Aspekte einbezieht, ist die qualitative und quantitative Veränderung der Flora und Fauna von Litoral und Profundal. Meist treten insbesondere beim Fischbestand negative Auswirkungen auf. Weiterhin findet eine Anreicherung und Sedimentation nichtmineralisierter, organischer Stoffe am Grund statt. Im Zuge dessen wird die Biomasse oft nur noch unter Bildung von Methan zersetzt. Mitunter wird das Phytoplankton, wie z.B. Blaualgen, auf der Wasseroberfläche durch kleinste Gasbläschen, die infolge der Gärungs- und Fäulnisprozesse entstanden sind, oft unter Schaumbildung abgeschieden. Einige Algen enthalten oder haften auch physiologisch von sich aus an Gasblasen, um einem Absinken durch die Schwerkraft und damit einer Entfernung vom Licht entgegenzuwirken. Diesen Vorgang der Oberflächenabscheidung bezeichnet man als Flotation. Oftmals werden diese schaumartigen Abscheidungen dann durch Wind- und Wasserströmungen bis ans Ufer getrieben, sodass sich bei längerfristiger Eutrophierung solche Abscheidungen in größeren Mengen in der Uferzone ablagern und Fäulnisgerüche verbreiten. Aber es wird nicht nur tote Biomasse am Ufer abgelagert, da auch in dieser Zone selbst Prozesse wie Veralgung und Verkrautung durch Wasserpflanzen stattfinden. (Weitere Folgen der Flotation und der zuletzt genannten Erscheinungen werden unter 5. besprochen.) Sehr hohe Belastungen rufen durch eine hohe Phytoplankton-Konzentration so starke Trübungen des Wassers hervor, dass sogar aufgrund des Lichtmangels ein Krautschwund durch das gehäufte Absterben von Unterwasserpflanzen auftritt. Abschließend kann auch das sogenannte „Schilfsterben" in Erscheinung treten, das den Rückgang der Röhrichtbestände bezeichnet. Der Grund dafür ist die Wasserblüte im Frühjahr. Vor allem fädige Algen behindern die zeitgleich austreibenden Schößlinge und beeinträchtigen ihr Wachstum derart, dass die Schößlinge den mechanischen Einwirkungen des Windes und Wellenschlags nicht mehr standhalten können.