2. Ursachen für die Veränderungen der Phosphat- und Nitrat-Konzentration des Bodensees

Folgende Aspekte tragen zu der festgestellten Erhöhung der Phosphat- und Nitratkonzentration bei:

Phosphate

zugeleitete Abwässer aus besiedelten Einzugsgebieten, wobei jeweils ein Massenanteil von etwa 50% aller im Abwasser vorhandenen Phosphate aus Waschmitteln/Spülmitteln oder aber aus Fäkalien stammt

Abwässser aus der Landwirtschaft, wobei anorganische Phosphorverbindungen wie Phosphate aus den Fäkalien der Intensivtierhaltung, aus von den Feldern abgeschwemmten, ungenutzten Düngemitteln und aus Silageabläufen stammen; bei letzteren auch organische Phosphorverbindungen enthalten, die dann zu Phosphaten abgebaut werden

Herauslösen von Phosphaten aus dem Bodensediment durch Sauerstoffmangel und Fäulnis

Erklärung/Darstellung des letzten Stichpunktes:

Durch die über Abwässer ins Gewässer eingetragenen Phosphate, die essentielle Nährstoffe der Zellen des Phytoplanktons sind, wird zunächst die Konzentration des Phosphats primär erhöht. Ist die Phophatkonzentration der limitierende Faktor (genaue Erläuterung unter 3.), was meist der Fall ist, so erhöht sich mit ihr auch das Phytoplankton-Wachstum. Dadurch fällt im weiteren Verlauf mehr tote Biomasse auf dem Grund des Gewässers an. Durch Destruenten und Reduzenten wird diese Biomasse, da zunächst genug Sauerstoff im Hypolimnion vorhanden ist, unter aeroben Bedingungen, d.h. folglich unter Sauerstoffverbrauch, wieder unter anderem zu Phosphat abgebaut. Dieser Kreislauf allein würde im langfristigen Durchschnitt eine konstante, wenn auch durch den neuen Eintrag erhöhte Phosphatkonzentration hervorrufen. Da jedoch der Sauerstoffverbrauch der Destruenten und Reduzenten den neuen Sauerstoffeintrag ins Hypolimnion übersteigt, setzen zwei Prozesse ein, die die Phosphatkonzentration zusätzlich erhöhen:

a)

Die oberste Schicht des Bodensediments besteht aus oxidiertem Schlamm, d.h. unlösliche Verbindungen wie Eisen(III)-oxid und Eisen(III)-phosphat sind zum großen Teil vorhanden. Die Oxidation dieser Schicht ist aber nur bei Vorhandensein von genügend Sauerstoff im Tiefenwasser möglich. Dabei bildet sich aus gelösten Eisen(II)-Ionen und gelöstem Sauerstoff durch langsame chemische Oxidation oder durch Eisen-Bakterien Eisen(III)-oxid, wobei zusätzlich Eisen(III)-phosphat mittels der im Wasser gelösten Phosphat-Ionen entsteht:

 

12Fe2+(aq) + 8PO43-(aq) + 3O2(aq) 2Fe2O3¯ (s) + 8FePO4¯ (s)

Dadurch wird Phosphat einerseits gebunden, andererseits befinden sich unter dieser oxidierten Schicht Stoffe wie unlösliches Eisen(II)-sulfid und lösliche Eisen(II)-Phosphat-Verbindungen, z.B. Vivianit, sodass weiterem Phosphat der Wasserkörper nicht zugänglich ist. Wie aus der Reaktionsgleichung zu schlussfolgern ist, befindet sich das Gleichgewicht auf seiten des Oxids. Dies gilt jedoch nur bei genügendem Sauerstoffgehalt an der Grenzfläche zwischen oxidierter Schicht und Wasser. Nimmt die Sauerstoffkonzentration erheblich ab, z.B. durch erhöhten Bedarf seitens der Destruenten und Reduzenten, so verläuft die Hinreaktion wesentlich langsamer und das Gleichgewicht verschiebt sich zu den gelösten Komponenten hin. Weiterhin ist nun die unlösliche Sperrschicht verschwunden, die die löslichen Phosphat-Verbindungen vom Wasserkörper üblicherweise trennt, sodass noch weiteres Phosphat in Lösung geht. Aus diesem Grund steigt die Phosphatkonzentration zunächst im Tiefenwasser durch den Sauerstoffmangel an. In höheren Wasserschichten, in denen noch genug Sauerstoff vorhanden ist, werden die durch die Gleichgewichtsverschiebung neu gelösten, aufsteigenden Phosphat- und Eisen(II)-Ionen wieder ausgefällt, dadurch dass Eisen(II) zu Eisen(III) oxidiert wird und sich wiederum Eisen(III)-phosphat sowie Eisen(III)-oxid bildet.

b)

Unter den laut voriger Entwicklung anaeroben Bedingungen des Hypolimnions ist die Bildung von Fäulnisgasen wie Schwefelwasserstoff durch anaerobe Bakterien, die für die Zersetzung der toten Biomasse durch Oxidation im Wasser gelöste Sulfat-Ionen unter Sauerstoffabspaltung zu Schwefelwasserstoff reduzieren, möglich. Das gebildete, zunächst im Wasser gelöste Gas Schwefelwasserstoff fällt die in Lösung getretenen Eisen(II)-Ionen unter Bildung von Eisen(II)-sulfid aus. Dabei entstehen mit Wassermolekülen auch Hydronium-Ionen, welche eine pH-Wert Erniedrigung im Gewässer hervorrufen können:

H2S(aq) + Fe2+(aq) + 2H2O(l) ® FeS¯ (s) + 2H3O+(aq)

Damit wird Eisen an Schwefel gebunden und sinkt in das anaerobe Hypolimnion ab, sodass eine Oxidation von Eisen(II) zu Eisen(III) in höheren, sauerstoffhaltigen Wasserschichten nicht mehr möglich ist. Demzufolge kann auch das gelöste Phosphat nicht mehr an Eisen(III) gebunden werden und steigt ungehindert in die oberen Wasserschichten auf. Gleichsam erhöht sich die Phosphat-Konzentration im gesamten Gewässer.

Die wichtigste Erkenntnis dieser angeführten Aspekte ist, dass eine Erhöhung der Phosphat-Konzentration im Gewässer durch Zuflüsse eine weitere Erhöhung der Phosphat-Konzentration nach sich zieht. Die Phosphat-Konzentration besitzt eine positive Rückkopplung mit sich selbst.

Nitrate

organische Substanzen in Abwässern (z.B. aus Fäkalien in Form von Harnstoff) Þ Anstieg der Ammonifikations- und Nitrifikationsrate

Nitrate in Abwässern aus Landwirtschaft (z.B. Düngemittel umliegender Felder), Industrie und Siedlungsräumen

erhöhte Biomasseproduktion, -ablagerung und –zersetzung Þ Anstieg der Ammonifikations- und Nitrifikationsrate

Konzentrationsänderungen aufgrund von Nitrat-Phosphat-Wechselbeziehungen

Das folgende Beispiel für die Wechselbeziehung zwischen Phosphaten und Nitraten zeigt deutlich, dass jegliche Belastung des Gewässer bezüglich einer der beiden Komponenten gleichzeitig eine Belastung in Bezug auf die andere mit sich führen kann, sodass bei starker Belastung des Gewässers die Belastung von selbst ohne weitere Einwirkung von außen ansteigt, wenn keine natürlichen Mechanismen zum Ausgleich vorhanden sind.

Durch eine steigende Phosphatkonzentration in einem Gewässer wachsen die Bestände von autotrophen, stickstoffbindenden Bakterien an, die in der Lage sind, molekularen Stickstoff in ihre Biomasse einzubauen. Dadurch erhöht sich der Stickstoffeintrag in das Gewässer. Wird dieser organisch gebundene Stickstoff durch Destruenten und Reduzenten wieder über Ammonifikation und Nitrifikation zu Nitrat abgebaut, erhöht sich einerseits die Nitrat-Konzentration. Andererseits findet durch diese Vorgänge eine Sauerstoffzehrung im Hypolimnion statt, da der durch die autotrophen Bakterien zusätzlich produzierte Sauerstoff durch die Lage dieser Organismen an der Gewässeroberfläche in die Luft entweicht, gleichzeitig aber der Überschuss an toter Biomasse auf den Gewässerboden absinkt und dort abgebaut wird. Eine Folge von Sauerstoffmangel sowie Bildung von Fäulnisgasen ist unter anderem, wie oben dargestellt, die Erhöhung der Phosphat-Konzentration.

Bisher wurden nur äußere Belastungen angeführt, die über Abwässer und Zuflüsse in das Gewässer eingetragen werden. Stoffe, die eine Erhöhung der Phosphat- oder Nitrat-Konzentration bewirken, können aber auch über Niederschläge eingetragen werden. Ursache dafür sind in der Regel anthropogene Faktoren wie z.B. das über die Industrieabgase in die Atmosphäre eingetragene Schwefeldioxid. Dieses Gas löst sich im Wasser, das sich in der Atmosphäre befindet, und gelangt dann durch den Niederschlag ins Gewässer. Im Gewässer, hier der Bodensee, kann Schwefeldioxid, das in wässriger Lösung zuvor auch schon als schweflige Säurelösung eingetragen worden sein kann, über mehrere Reaktions- und Stoffwechselwege in Schwefelwasserstoff umgewandelt werden. Schwefelwasserstoff entzieht dem Wasserkörper wie oben geschildert Eisen, das der Bindungspartner für Phosphate ist. Bei dieser Reaktion entstehen auch Hydronium-Ionen, die den pH-Wert des Wassers senken. Letztlich steigt also die Phosphat- und damit auch die Nitrat-Konzentration sowie zusätzlich die Hydronium-Ionen-Konzentration durch Schwefeldioxidanreicherungen in der Atmosphäre.