Leistungskurs BI-2 ABSTAMMUNG

GRUNDLAGEN DER CHEMISCHEN UND BIOLOGISCHEN EVOLUTION. BEDINGUNGEN DER EVOLUTION DES MENSCHEN UND PROBLEME SEINES BIOLOGISCHEN UND KULTURELLEN FORTBESTANDES.

Kursziele:

Der Kurs zielt darauf ab, dem Schüler

- eine Einführung in Theorien der chemischen und biologischen Evolution zu geben,

- Denk- und Arbeitsmethoden der Abstammungslehre vorzustellen, die die stammesgeschichtliche Entwicklung der Lebewesen als einen nicht umkehrbaren naturhistorischen Prozess erschließen, in dem der Mensch eine besondere Stellung einnimmt,

- Kenntnisse über wesentliche Evolutionsfaktoren und deren Zusammenspiel zu vermitteln. Auf die stammesgeschichtliche Entwicklung des Menschen angewandt soll die Einsicht gefördert werden, dass bei weitgehender Ausschaltung der natürlichen Selektion für den Menschen Probleme für seinen biologischen und kulturellen Fortbestand entstehen, für die der Mensch die Verantwortung übernehmen muss.

Thematische Schwerpunkte (Groblernziele) und Inhalte;

1. Einblick in Theorien zur Entstehung des Lebens auf der Erde.

Inhalte:

- Hypothesen zur Entstehung des Weltalls, unseres Planetensystems und der Erde (chemische Evolution).

- Theorien der Lebensentstehung und ihre experimentellen Grundlagen (MILLER: In Vitro-Synthese von Aminosäuren;

OPARIN: Koazervate; FOX: Mikrosphären; Minimalorganismus; Endosymbiontenhypothese).

2. Überblick über wichtige Theorien der Abstammungslehre und deren Fehlinterpretation.

Vertiefte Kenntnis von Evolutionsfaktoren und ihres Zusammenspiels.

Inhalte:

- Evolutionstheorien als Ergebnis systematischer Naturbetrachtung.

(Katastrophentheorie von CUVIEK, LAMARCKs Lehre von der Veränderung von Organen durch Gebrauch oder Nichtgebrauch;

DARWINS Selektionstheorie).

- Genhäufigkeit und Genverteilung in geschlossenen und offenen Populationen (HARDY-WEINBERG-THEOREM).

- Zusammenspiel von Mutation und Selektion bei der Rassen- und Artbildung. Anpassungsfähigkeit an Mangel- und Überflussumwelten.

Abgrenzung von Mutation und Rekombination gegen modifikatorische Variabilität.

Selektionswert von Mutationen. Selektionsgeschwindigkeit. Alleldrift (SEWALL-WRIGHT-EFFEKT).

- Isolationsphänomene und ihre Bedeutung für die Rassen- und Artbildung und für die Großevolution:

Geographische, genetische und reproduktionsbiologische, ökologische, ethologische und kulturelle Isolation.

- Fehlinterpretationen von Aussagen der Abstammungslehre (Affe-Mensch-Verwandtschaft; Sozialdarwinismus; Rassismus) .

5. Überblick über Verlauf und Bedingungen der Evolution der Lebewesen unter besonderer Berücksichtigung der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen. Vertiefte Kenntnis spezifisch-menschlicher Merkmale.

Inhalte:

- Zeugnisse für die stammesgeschichtliche Entwicklung der Lebewesen, insbesondere des Menschen, aus der vergleichenden Anatomie, Embryologie, Physiologie und Serologie, Genetik, Paläontologie und Ethologie.

- Fossile Vorfahren des Menschen. Systematische Bewertung von Fossilien:

Subhumane Phase; Tier-Mensch-Übergangsfeld.

Vormenschen; Werkzeuggebrauch.

Frühmenschen; Funde von Peking, Java und Heidelberg;

Gebrauch des Feuers. Altmenschen; Neandertaler und seine Bedeutung für die Abstammungsreihe des Menschen in neuerer Forschung (Präsapiensproblem). Jetztmenschen; Kulturkreise des Homo sapiens sapiens: Cro Magnon; Combe Capelle.

Theorien der Menschheitsentwicklung und Unsicherheiten hypothetischer Stammbaumentwürfe.

Monophyletischer oder polyphyletischer Ursprung der Menschheit.

Spezifisch-menschliche Merkmale:

Aufrechter Gang; Umformung des Skeletts; Gehirnvergrößerung und Gehirndifferenzierung; physiologische Anpassungen; Gebrauch von Werkzeugen und Geräten; Gebrauch des Feuers; Entwicklung von Kommunikationssystemen (Höhlenmalerei und Bilderschrift, Zeichen- und Lautsprache, Schrift); Unabhängigkeit von Fortpflanzungszyklen; Monogamie und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung; Verlängerung der Lernphase durch ausgedehnte Kindheit; Zusammenhang zwischen Lernfähigkeit und kultureller Evolution.

4. Überblick über den gegenwärtigen Stand der Evolution des Menschen.

Inhalte:

- Polytypismus (Rassengruppen) und Polymorphismus. Bedeutung des Polymorphismus in variablen Umwelten (z. B. Körperbau und klimatische Anpassungen). Rassen, Klassen, Kasten (menschliche Rassentypologie):

Mikrogeographische Rassen (z. B. WALES), Kasten (INDIEN).

Soziale Klassen.

5. Überblick über Bedrohungen des menschlichen Fortbestandes unter populationsdynamischen Gesichtspunkten.

Inhalte:

- Bedeutung der Erhaltung biologischer Gleichgewichte im Tier- und Pflanzenreich für den Menschen.

- Erbkrankheiten und ihre Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Menschheit (Eugenikproblem).

- Gezielte Auslese (Züchtung) und gezielte Veränderung des genetischen Bestandes des Menschen (z.. B. Geburtenkontrolle; Samenbank; Genreparatur).

- Wachstumsprobleme der Weltbevölkerung (Wachstumsprognosen; Modelle zur Begrenzung des Bevölkerungswachstums).

- Gefahren für die Menschheit durch Strahlenbelastung, Drogen, Verseuchung der Umwelt.

- Bedeutung der modernen Medizin (Organtransplantation; Genmanipulation; Zurückdrängung der Infektionskrankheiten, Zunahme von Stoffwechseldefekten durch rehabilitierende Therapie).

Didaktische Hinweise:

Die Evolutionstheorie hat sich seit ihrer Begründung durch DARWIN als bedeutendste und umfassendste Theorie der Biologie allgemein bewährt und durchgesetzt. Abgesehen von Einzelproblemen, die auch heute noch unter Fachwissenschaftlern kontrovers diskutiert werden, herrscht über die Richtigkeit der Grundaussagen der Abstammungslehre kein Streit mehr. Es erscheint aus diesem Grunde sinnvoll, im Unterricht einen nur knappen Abriss der historischen Denkansätze zu geben, mit denen versucht wurde, die Entstehung der organismischen Formenvielfalt auf der Erde zu erklären.

Im Vordergrund stehen dagegen die Methodenprobleme der Abstammungslehre, die sich daraus ergeben, dass der in der Vergangenheit liegende Teil des naturhistorischen Entwicklungsprozesses sich der unmittelbaren Beobachtung und dem Experiment prinzipiell entzieht; wir sind vielmehr darauf angewiesen, seinen Verlauf aus lückenhaften Indizien zu erschließen. Der Evolutionsbiologe steht vor der Aufgabe, im wesentlichen mit vergleichender Methode (Merkmalsanalyse, Homologie- und Analogiebetrachtungen) organismische Formen aus zudem häufig unvollständigen Bruchstücken - und ohne die Zwischenglieder zu kennen - zu rekonstruieren und auf der Basis der so erzielten Ergebnisse Verwandtschaftsbeziehungen aufzuspüren.

Dabei stellen ihm moderne biologische Teildisziplinen (Molekularbiologie, Molekularphysiologie und Serologie, physiko-chemische Fossiliendatierung, biologische Statistik) zunehmend objektivierte Verfahren zur Verfügung, so dass der interpretatorische Spielraum enger, die wissenschaftliche Sicherheit der Forschungsergebnisse in gleichem Maße erhöht wird.

Dieser Zusammenhang soll im Unterricht dadurch erläutert werden, dass der Unterrichtende nicht allein die Forschungsresultate vorstellt, sondern die Wege aufzeigt, auf denen sie erzielt wurden. Dabei wird es erforderlich, die Leistungsfähigkeit der angewendeten naturwissenschaftlichen Methoden (vgl. Vorbem.: Naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung) kritisch zu untersuchen.

Dabei sollen die Lernenden erkennen, dass

- die Nachzeichnung stammesgeschichtlicher Entwicklungsabläufe umso sicherer gelingt, je enger die vorliegenden Fakten in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge widerspruchsfrei geordnet werden können, und je weniger Einzelfakten von der Theorie nicht widerspruchsfrei zuzuordnen und zu erklären sind,

- in der Regel nur populationsdynamische Betrachtungen tragfähige Aussagen über organismische Formveränderungen in der Zeit ermöglichen und dass dafür statistische Erhebungs- und Verarbeitungsverfahren vonnöten sind und dass schließlich

- die Synthese einer großen Zahl unabhängig voneinander und mit ganz unterschiedlicher Methodik gewonnener Ergebnisse verschiedener biologischer und nichtbiologischer Disziplinen zu einer weittragenden Absicherung evolutionsbiologischer Regelaussagen führt.

Für die praktische Durchführung des Kurses von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass die ausgewiesenen Inhalte nur wenig Gelegenheit bieten, experimentell zu arbeiten. Ausnahmen davon bieten je nach Ausrüstung der Schule z. B. vereinfachte MILLER-Versuche mit biochemischer Analyse der entstehenden Aminosäuren, Experimente zur Selektionswirkung variabler Umwelten durch Mangelmutanten-Plattierung von Bakterien und zur "Eiweißverwandtschaft" mit elektrophoretischer Analyse des Aminosäure-Spektrums einfacher Proteine.

Wegen dieser schmalen experimentellen Basis des Kurses kann es sinnvoll sein. zu Beginn und als Einführung zur Demonstration der Formenvielfalt im Organismenreich einen zootomischen Teil vorzusehen. In ihm können die Baupläne typischer Vertreter der Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere hinsichtlich ihrer Anpassungen an unterschiedliche Lebensräume untersucht werden. Dabei stehen vertiefende physiologische Betrachtungsweisen im Vordergrund.

Eine weitere Möglichkeit quasi-experimenteller Erarbeitung evolutionsbiologischer Probleme besteht in der computerunterstützten Analyse von Merkmalsänderungen in geschlossenen Populationen und der Verteilungsgesetze von Genen (HARDY-WEINBERG-Theorem).

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