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Bandera azul - blaue Flaggenbuntbarsche vom Rio San Bartolo

 

von Kai ArendtMesonauta cf. egregius, Männchen in Normalfärbung

 

Bereits 1994 konnten wir im Einzugsgebiet des Rio Guariquito in den venezolanischen Llanos den herrlichen     „Goldenen Flaggenbuntbarsch“ Mesonauta insignis (Heckel, 1840), Typusart der Gattung Mesonauta Günther, 1862, fangen. Sie besticht durch ihre besondere Farbenpracht. M. insignis hat ein sehr großes Verbreitungsgebiet vom Orinocoeinzug im Norden über den gesamten Rio Negro - Bereich bis hin in die Unterläufe einiger südlicher Amazonaszuflüsse. Für den Bereich der zentralen venezolanischen Llanos war sie die bisher einzige belegte Flaggenbuntbarschart. Unsere Tiere hatten wir seinerzeit im Cano el Toro gefangen, einem glasklaren, leicht braunes Wasser führenden linksseitigen Zufluß des Rio Guariquito. Der „kleine Guarico“, so die deutsche Übersetzung des Flußnamens, führt wie sein größerer westlicher Nachbarfluß, der Rio Guarico Weißwasser und strömt von Norden dem Orinoco entgegen. Wir ahnten damals nicht, daß dieses Flußsystem die Heimat einer weiteren wunderschönen Flaggenbuntbarschart ist. Etwa drei Jahre später, im Januar-Februar 1997 waren wir erneut zu Gast auf der „Granja la Linda“ bei der Familie Thiemicke. Dieses Gehöft liegt zwischen dem Rio Guarico und dem Rio Guariquito nahe der Stadt Calabozo mitten im Herzen der Llanos. Eines Abends, wir planten gerade die Touren der nächsten Tage und plauderten ein wenig, erzählten uns Herr Thiemicke und seine venezolanischen Helfer von einem ganz blau gefärbten Flaggenbuntbarsch, der hier in der Nähe vorkommen sollte. Bandera azul, so der einheimische Name, hätte auch eine ganz andere Körperform als jene Flaggenbuntbarsche vom Cano el Toro, die wir als M. insignis identifiziert hatten. Wir waren natürlich neugierig geworden und beschlossen, in den nächsten Tagen zum Fundort der Tiere zu fahren. Auf die Frage, wo sich dieser Lebensraum befinde, antwortete Herr Thiemicke lapidar, es handele sich um den Rio San Bartolo, etwas nördlich von San Fernando de Apure gelegen. Natürlich schauten wir gleich in unseren Straßenatlas Venezuelas und fanden tatsächlich einen Rio San Bartolo, nur nicht dort, wo uns Herr Thiemicke beschrieben hatte, sondern viel weiter östlich. Ein linksseitiger Nebenfluß des unteren Guariquito war als solcher bezeichnet. Als wir dieses Herrn Thiemicke zeigten, meinte dieser, die Namen der Flüsse fast aller venezolanischen Karten seien falsch, was offensichtlich auch bei unserer der Fall sei. Der Rio San Bartolo sei jedenfalls dort, wo er es angegeben hatte. Wir waren gespannt, wohin die Reise gehen würde.

Wenige Tage später war es endlich soweit. Von Calabozo ging es nach Süden auf der Hauptstraße Richtung San Fernando de Apure. Etwa 20 km vor dieser Stadt bogen wir nach Osten in Richtung Uverito und Cazorla ab und fuhren auf einer schlechten, auf einem Damm errichteten Asphaltstraße noch etwa 1 ½ Stunden (etwa 55 km), wobei wir viele kleine Restgewässer und einen größeren Fluß (Rio Apurito) kreuzten. Die Ortschaften Uverito und Guajabal wurden durchquert, die Lagune von Agua Verde ließen wir rechts der Straße liegen. Diese Gegend im Bereich der Mündungen des Rio Portuguesa, Rio Guarico und Rio Guariquito in den Apure und den Orinoco ist in der Regenzeit meterhoch überschwemmt und bildet dann eine riesige zusammenhängende Wasserfläche. Die Esteros de Camaguan im Bereich des unteren Portuguesa sind in Venezuela berühmt für ihren Arten- und Individuenreichtum an Fischen. Jetzt, mitten in der Trockenzeit zeugten nur noch in Büschen und Bäumen hängende trockene Reste von Wasserpflanzen von dem Süßwassermeer der Regenzeit. Ordentlich durchgeschüttelt erreichten wir schließlich am späten Nachmittag den Rio San Bartolo, den die Straße mit einer Brücke überspannt. Er ist ein in der Trockenzeit etwa 50 – 250 m breiter, fast stehender und sehr fischreicher Weißwasserfluß und stellt eine natürliche kanalartige Verbindung des Rio Guarico mit dem Guariquito dar. Der Guarico verzweigt sich im Bereich seines Unterlaufes stark. Eine dieser Verzweigungen  ist der Rio San Bartolo der dann in den Unterlauf des Rio Guariquito mündet.

Karte1              Karte2

Paar mit GelegeHier sollten also die blauen Flaggenbuntbarsche leben. Wir hatten vor, sie bei Nacht aus den zahlreichen schwimmenden Wiesen zu fischen, wo sie direkt unter der Wasseroberfläche im Schutz der Gräser schlafend im Schein einer starken Lampe mit Aquarienkeschern leicht zu erbeuten sein sollten. Zahlreiche Reiher, Sichler, Kormorane und Störche hatten sich am Fluß eingefunden um hier reiche Fischbeute zu machen. Einheimische hatten uns davor gewarnt ins Wasser zu gehen. Der Fluß sei voll von Caribes, wie hier die bulligen Piranhas Pygocentrus caribe genannt werden. Wir warteten auf den Sonnenuntergang und stärkten uns mit ein paar Bier, die es auf der anderen Flußseite zu kaufen gab. Hier bestätigten uns die Wirtsleute den korrekten Namen des Flusses. Auch probierten wir uns im Angeln. Kaum hatten wir die mit Fischköder und Stahlvorfach bestückte Angel ausgeworfen, brodelte das Wasser. In wenigen Sekunden war der erste Caribe angelandet. Im Minutentakt ging dies so weiter bis nach etwa einer halben Stunde sämtliche Stahlvorfächer durch die Piranhas zerstört waren. Hier ging von uns jedenfalls keiner ins Wasser. Weitere Fische die wir hier nachweisen konnten, waren die Salmler Serrasalmus rhombeus, deren Junge  und Heranwachsende sich parasitär von Schuppen und Flossenteilen anderer Fische ernähren, Serrasalmus antoni, Brycon pesu, Markiana geayi, Cyphocharax cf. spilurus, Prochilodus mariae und der Lauerräuber Hoplias macrophthalmus. An Welsen konnten wir Corydoras septemtrionalis und den Liniendornwels Platydoras costatus fangen. Sicher gab es aber noch weit mehr Fischarten.

Gegen Sonnenuntergang wurden die vielen Kaimane aktiv, die sich tagsüber irgendwo auf den schwimmenden Wiesen oder den Ufern des Flusses verbargen. Unsere Flaggenbuntbarsche hatten also offensichtlich jede Menge Feinde. Als es nach der kurzen Dämmerung dunkel geworden war, machten wir das Boot klar und starteten. Zwei Leute ruderten, einer sollte die Lampe halten, zwei keschern und ein weiterer die gefangenen Fische in die mitgebrachten Eimer setzen. Wir nahmen Kurs auf die schwimmenden Wiesen. Hierbei plätscherte es rund um das Boot. Fische flüchteten und sprangen in Panik meterweit. Um uns zu orientieren leuchteten wir mit der starken Lampe von Zeit zu Zeit die Ufer ab und sahen überall die leuchtenden Augenpaare der Kaimane. Es müssen hunderte gewesen sein. Bei den Wiesen am gegenüberliegenden Flußufer angekommen, leuchteten wir mit dem starken Lichtstrahl in das Dickicht der Gräser. Die Augen mußten sich erst an das Schattenspiel im Lichtkegel gewöhnen, doch bald erspähten wir die ersten Banderas. Sie drückten sich schlafend direkt unter der Wasseroberfläche ins Dickicht und waren so vor den vielen Freßfeinden geschützt.  Mit etwas Geschick waren sie hier mit Aquarienkeschern leicht zu erbeuten. Aber nicht nur die Flaggenbuntbarsche schliefen so, sondern wir konnten auch die räuberisch lebenden Cichliden Caquetaia kraussii und Astronotus sp. so schlafend beobachten. Man mußte beim Fang der Fische gehörig aufpassen, im glitschigen Boot das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Auch lockte der Lichtkegel der Lampe hier in Ufernähe Massen von Insekten an, wobei schlaftrunkene Wespen besonders unangenehm waren, denn sie stachen aggressiv um sich. Wir ließen uns hierdurch jedoch nicht einschüchtern, mußten allerdings immer nach kurzer Zeit das Licht löschen, um uns nicht allzu viele Stiche einzuhandeln. Trotz allem gelang uns der Fang einer ausreichend großen Anzahl juveniler, etwa 4-6 cm großer Exemplare. Alle wiesen stark lädierte, durch parasitär lebende Fische abgefressene Flossen auf, waren ansonsten jedoch in bester Kondition. Die auffällig hochrückigen Fische überstanden die Zwischenhälterung vor Ort sowie den Heimflug nach Deutschland problemlos.

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