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Xenagoniates bondi MYERS, 1942, der Venezuela-Glassalmler

Text und Bilder Kai Arendt

Eines der erklärten Ziele unserer ersten fischkundlichen Reise nach Venezuela im Jahre 1994 war der Fang eines bis dahin aquaristisch vollkommen unbekannten Salmlers aus der Fanilie der Characidae (Unterfam. Paragoniatinae), der nach den existierenden Abbildungen in verblüffender Weise dem Indischen Glaswels Kryptopterus bicirrhis (VALENCIENNES in Cuvier & Valo., 1840) ähnelte. Diese Fische waren ebenso glasartig durchscheinend und besaßen eine nahezu identische Körperform wie die seit langem beliebten Glaswelse. Sollten diese Salmler eine ähnliche Lebensweise wie die friedlichen und schwarmbildenden indischen Glaswelse führen? Dies würde sie zu interessanten Aquarienbewohnern machen, deren weiterer Verbreitung in der Aquaristik nichts im Wege stand. Ausgerechnet ich hatte das Glück seinerzeit beim ersten Fischfang im Rio Orituco bei Calabozo (Estado Guarico) die ersten Venezuela-Glassalmler fangen zu können. Die Begeisterung war groß, denn ich hatte sogar ein Pärchen dieser Fische in der mäßigen Strömung des trüben Weißwassers zwischen den Zweigen eines im Wasser hängenden Busches gefangen. Nach und nach gelang auch der Fang weiterer Exemplare, die sich immer zwischen Zweigen der Ufervegetation aufhielten. Meist standen die Fische einzeln an der Oberfläche und erst in geraumer Entfernung waren die nächsten Tiere zu fangen. Leider stellte sich bereits während unseres Aufenthaltes vor Ort heraus, daß diese so zerbrechlich erscheinenden Fischchen sowohl untereinander als auch gegenüber artfremden Fischen äußerst unverträglich waren. Die Tiere suchten sich selbst in großen Behältnissen auf um sich gegenseitig die Flossen zu zerfetzen. So waren schon nach kurzer Zeit die ersten Verluste zu beklagen. Auch andere Fische wurden ständig attackiert. Mit ihren offenbar äußerst scharfen Zähnen trennten die Glassalmler Stücken aus den Flossen der angegriffenen Fische. Auch deren Flanken wurden Ziel der Glassalmler, die hier Schleimhaut und Schuppen abtrennten. Offenbar führen X. bondi in der Natur eine parasitäre Lebensweise als Flossen- und Schuppenfresser und attackieren ihre Opfer oberfläschennah aus der Deckung der herabhängenden Zweige heraus. Dies erklärt auch das aggressive Verhalten dieser Glassalmler untereinander. Viele parasitär lebende Fische verteidigen nämlich Territorien gegen Artgenossen um sich lästige Konkurrenz beim Nahrungserwerb vom Leibe zu halten. Eine zu große Dichte an Parasiten würde nämlich zur Folge haben, dass viele der Opferfische die betreffenden Stellen meiden. Es gelang uns zwar damals einige dieser Räuber lebend mit nach Deutschland zu bringen, doch auch hier waren die Fische absolut nicht zu vergesellschaften. Ständig wurden Artgenossen und andere Fische attackiert. Die Venezuela-Glassalmler waren also leider keine Alternative zu den Indischen Glaswelsen. Auch von unserer zweiten Expedition in die Llanos Venezuelas im Jahre 1997 hatten wir Xenagoniates bondi mitgebracht. Das Ergebnis war wieder das gleiche.

    Seit einiger Zeit werden nun wieder kommerziell Zierfische aus Venezuela nach Deutschland importiert. Die meisten der Savannenfische aus den Llanos werden hierbei in der Nähe von San Fernando de Apure (Estado Apure) gefangen, wo heute eine Fangstation besteht. Die Umgebung von San Fernando wird zur Regenzeit von Mai bis Oktober meterweit überflutet. Denn in dieser Gegend münden sowohl der Rio Portuguesa als auch der Rio Guarico in den Rio Apure und bilden in der regenreichen Saison ein gewaltiges Süßwassermeer. Hier befinden sich die für ihren Fischreichtum berühmten Esteros (Sümpfe) de Camaguan in denen fast alle Fische zu finden sind die in den Gewässern der Llanos leben. Aus dieser Gegend wurde im Spätherbst des vergangenen Jahres X. bondi erstmals kommerziell nach Deutschland eingeführt. Importeur war die Fa. Marx Aquaristik in Butzbach / Münster. Ich erwarb eine Gruppe dieser Tiere und setzte sich in ein großes Aquarium mit eingehängten Käfigen um die Tiere voneinander trennen sollten. Trotzdem war mir auch diesmal kein großes Glück mit diesen Fischen beschieden, denn es gelang mir nicht diese Fischparasiten an andere Kost umzugewöhnen. Zwar wurde hier und da einmal eine lebende Weiße Mückenlarve verspeist, dies reicht aber zu einer ausreichenden Ernährung dieser Raubfische offensichtlich nicht aus. Nach und nach magerten sie ab und verhungerten letztlich. Offensichtlich sind diese grazilen Fische derart stark auf ihre natürliche Nahrungsquelle spezialisiert, dass sie nicht in der Lage sind, sich auf andere Kost umzustellen. Daher muß leider gesagt werden, dass diese so interessant aussehenden Fischchen für die Aquaristik gänzlich ungeeignet sind und sollten daher in den naturlichen Gewässern belassen werden. Bei diesen Fischen wird wohl einiges immer rätselhaft bleiben. Welche Mechansimen sind zum Beispiel Auslöser dafür, dass diese untereinander so aggressiven Fische zumindest einmal im Jahr friedlicher werden und sich zur Fortpflanzung zusammenfinden? Sicher werden die verschiedenen Jahreszeiten mit den damit einhergehenden drastischen Milieuänderungen im Habitat dieser faszinierenden Raubfische eine Rolle dabei spielen. Dies ist aber nur ein ganz kleiner Teil der Weisheit und sollte uns daran erinnern, wie komplex die Zusammenhänge in den Lebensräumen der südamerikanischen Fische sind und wie fragil und schützenswert diese mit all ihren dahin lebenden Kreaturen sind, über die man bis heute nur so wenig weiß.

Literatur:

FRANKE, H.-J. & E. FRANKE (1995): Ergebnisse einer Sammelreise nach Venezuela (II): Wenig bekannte Glassalmler aus dem Rio Orituco. –DATZ, 48(10): 665-667

FRANKE, H.-J. & H. MORENO (1996): Der Rio Orituco bei Calabozo: -DATZ 49(9): 599-604

GÉRY, J. (1978): Characoids of the world. –T.F.H. Publications, Neptune City

MYERS, G.S. (1942): Studies on South American fishes.I. –Stanford Ichthyol.Bull., 2(4): 89-114

STALLKNECHT, H. (1995): Exkursionen in Venezuela ´94. –TI-Magazin, 146: 46-51

TAPHORN, D.C. (1992): The characiform fishes of the Apure River drainage, Venezuela. –Bioolania Ed.Esp.No.4. Monograf.Cient.Mus.Cienc.Nat., UNELLEZ, Guanare, Venezuela

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