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Agoniates halecinus Müller & Troschel, 1845, der Guyana - Sardellenraubsalmler 

 Text Kai Arendt, Foto Thomas Große

Zu den seltensten und stammesgeschichtlich archaischsten Verwandtschaftskreisen innerhalb der Salmler Südamerikas zählen die merkwürdigen Arten der Gattung Agoniates, A. halecinus und Agoniates anchovia.       Diese bilden systematisch eine eigene Familie, Agoniatidae (Sardellenraubsalmler) mit nur einer Gattung, nämlich Agoniates. Sie scheinen Relikte einer vergangenen Epoche zu sein, denn nähere Verwandte dieser Fische sind im Reich der Salmler nicht bekannt. Eine gewisse Nähe könnte zu der monotypischen Gattung Clupeacharax mit der Art Clupeacharax anchoveoides Pearson, 1924 (Fam. Characidae, Unterfam. Clupeacharacinae) vom oberen Amazonas und den Quellflüssen des Rio Madeira vermutet werden. Diese Fische besitzen aber trotz aller Ähnlichkeit ein ganz andere Maulstruktur und Bezahnung als die Sardellenraubsalmler. Die Gattung Agoniates wurde 1845 von den Berliner Ichthyologen Müller & Troschel nach nur einem Exemplar, das Richard Schomburgk im Cuyuni River in Guyana (ehem. British Guyana) gesammelt hatte, aufgestellt und A. halecinus beschrieben. Dieses Typusexemplar lagert auch heute noch trotz der wechselvollen Geschichte unbeschadet in den Magazinen des ehrwürdigen Museums für Naturkunde in Berlin. Géry betont 1978 in seinem Salmlerstandardwerk „Characoids of the world“ die ausgesprochene Seltenheit dieser Fische und berichtet, seit über hundert Jahren sei nicht ein einziges Exemplar dieser Art in Guyana (von Europäern) mehr gefangen worden. Nach neueren Erkenntnissen scheint die Art aber viel weiter verbreitet zu sein. Sie bewohnt neben den Guyanaländern den Rio Tocantins sowie das Einzugsgebiet des unteren Amazonas und lebt auch in einigen großen Nebenflüssen dieses Stromes wie dem Xingu, Tapajoz, Tefé, Trombetas und Rio Negro. Im oberen Amazonasgebiet scheint sie jedoch zu fehlen. Dort wo sie vorkommen scheinen diese seltsamen Fische jedoch überall sehr selten zu sein. Besondere Merkmale der Agoniates sind die Sardellen- oder Sardinenartige Physiognomie mit großen silbernen Schuppen, großen, flügelartigen Brustflossen und einer sehr ausgeprägten, über den Brustflossen nach oben gewölbten Seitenlinie. Die Fische sind seitlich sehr stark zusammengedrückt und sehr langgestreckt, fast bandförmig. Die Augen der Agoniates sind sehr groß und sie besitzen eine vergleichsweise riesige und schrägstehende Maulspalte mit einer gewaltigen, flüchtig an jene der Säbelzahnsalmler (Fam. Cynodontidae) erinnernden Bezahnung. A. halecinus hat einen unterseits abgerundeten Bauch und zeigt an den Körperseiten ein markantes breites dunkles Längsband, welches jedoch bei dem in Berlin aufbewahrten Typusexemplar nach 150 Jahren verblasst ist. Beide Agoniatesarten sind offensichtlich mit maximal 20 cm Körperlänge ausgewachsen. Die zweite Art der Gattung A. anchovia unterscheidet sich von A. halecinus durch ihren unterseits gekielten Bauch. Ihr fehlt auch jenes dunkle Längsband, das so charakteristisch für A. halecinus ist und wirkt daher an ganzen Körper silbrig. A. anchovia ist fast im gesamten Amazonasbecken schwerpunktmäßig jedoch in dessen oberen Bereich regelmäßig aber gleichfalls selten anzutreffen. Auch im Rio Negro Becken und dem Rio Tapajoz wurde die Art gefunden. A. ladigesi Géry, 1963 ist ein ungültiges Synonym zu A. anchovia. Ob der Seltenheit dieser Raubfische war meine Freude riesig als mir mein Freund Thomas Große / Potsdam und Zoo-Aquarium Berlin, ein guter Kenner der Flora und Fauna im Bereich des oberen Cuyuni in Venezuela nach einer seiner vielen Reisen dorthin ein Dia eines ihm unbekannten räuberisch lebenden Salmlers zeigte. Da ich mich seit Jahren intensiv mit räuberisch lebenden Salmlern beschäftige, erkannte ich recht schnell den Wert dieses Bildes. Es ist das erste Bild eines Agoniates halecinus in Lebendfärbung überhaupt. Fischer hatten das Tier im Weißwasser des Oberlaufes des Rio Cuyuni im Strömungsschatten einer Sandbank inmitten einer Stromschnelle geangelt. Der Haken war mit kleinen Fischstückchen beködert. Nach Aussage der Fischer sucht diese Art häufig in Gruppen solche Stellen auf um von dort Jagd auf in der Strömung vorbeiziehende Kleinfische zu machen. Leider ist sonst überhaupt nichts über die Lebensweise dieser archaischen Salmler bekannt und so bleibt zu hoffen, dass einmal der Import der Sardellenraubsalmler gelingt, um deren Verhalten, insbesondere deren Jagdtaktik im Aquarium genauer erforschen zu können. Mein herzlicher Dank gilt besonders den Bildautor Thomas Große für das Beisteuern seines Bildes sowie seiner wertvollen Informationen. Auch gilt mein Dank Herrn Dr. Hans Joachim Paepke (Museum für Naturkunde Berlin) für seine Hilfe bei der Sichtung des Typenmaterials und die jahrelange freundschaftliche und hilfsbereite Zusammenarbeit.

Literatur:

Géry, J. (1963). Essai sur les affinités phylogénétiques des Agoniates et l´origine des Characidae, à propos de la description d´une forme nouvelle de l´Amazone péruvienne: Agoniates ladigesi (Cotr.No. 22). Mitt.Hamburg.Zool.Mus.Inst., 60: 265-284

Géry, J. (1972): Poissons characoides des Guyanes. I. Généralités. II. Famille des Serrasalmidae. Zool.Verhandel., 122: 260 pp.

Géry, J. (1978): Characoids of the world. T.F.H. Publications, Neptune City.

Müller, J. & F.H. Troschel (1845): Horae Ichthyologicae. Beschreibung und Abbildung neuer Fische.. Erstes und zweites Heft, Familie der Characinen. Berlin, 24 pp.

Zarske, A. & J. Géry (1997): Rediscovery of Agoniates halecinus Müller & Troschel, 1845, with a supplement description of Agoniates anchovia Eigenmann, 1914, and a definition of the genus (Teleostei: Ostariophysi. Characiformes: Characidae). Zool.Abhandl., Dresden, 49(10): 173-184

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