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Zwei interessante Characiden aus dem nördlichen Venezuela, Creagrutus lepidus Vari, Lasso & Machado-Allison, 1993 und Creagutus lassoi Vari & Harold, 2001

 

Die Gattung Creagrutus Günther, 1864 ist in Südamerika weit verbreitet und sowohl transandin, d. h. westlich der Anden als auch cisandin (östlich) sowie in den Stromtälern der Anden im Norden des Subkontinentes zu finden. Mit weit über 50 wissenschaftlich beschriebenen Species ist Creagrutus (Fam. Characidae, Unterfam. Tetragonopterinae) zugleich eine der artenreichsten Gattungen Südamerikas. Diese große Formenvielfalt wurde erst kürzlich eingehend wissenschaftlich untersucht und die Gattung im Rahmen zweier sehr umfangreicher Arbeiten revidiert, wobei zahlreiche Arten wissenschaftlich neu beschrieben wurden. Creagrutus bewohnen die unterschiedlichsten Lebensräume von Bergbächen bis zu den Strömen des Amazonastieflandes. Eng verwandt ist die Gattung mit Bryconamericus Eigenmann, 1907, Piabina Reinhardt, 1867 und Ceratobranchia Eigenmann, 1914. Alle Creagrutus haben ein mehr oder weniger unterständiges Maul und sind rastlose Schwimmer, die normalerweise in Biotopen mit mäßiger bis starker Strömung gefunden werden. Sie sind so gut an starke Strömungen angepasst, dass ihre Schwimmweise in stillem Wasser recht unbeholfen wirkt. Dann rudern sie nämlich mit durchhängendem Schwanz, was sehr komisch aussieht. In starker Strömung sind sie hingegen erst richtig „austariert“. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle zwei Creagrutus von der karibischen Abdachung der Küstenkordilliere in Nordvenezuela vorstellen. Diese Bergkette trennt die Karibikküste von den Steppengeieten der Llanos im Landesinneren und ist gewissermaßen als der nordöstlichste Ausläufer der Anden zu verstehen. So bildet sie eine faunistische Barriere zum Orinocotiefland.

Creagrutus lepidus

    Im Jahre 2001 hatten meine Freunde und ich im Rahmen einer Fischfangexpedition, bei der wir auch den Norden Venezuelas besuchten, die Gelegenheit den Lebensraum von Creagrutus lepidus kennenzulernen. Es handelte sich um einen klaren, felsigen und geröllreichen Bergbach namens Cano Agua Clara, einem Nebenfluss des Rio Urama, in der Nähe von Bejuma im Bundesstaat Carabobo. Zwischen stark strömenden Bereichen befanden sich zahlreiche tiefere Kolke mit nur mäßig strömendem Wasser. Der felsige und kiesige Grund war teilweise mit Falllaub bedeckt, Wasserpflanzen fehlten völlig. Das Wasser hatte am Mitte April, also am Ende der Trockenzeit eine Temperatur von 26°C, was wahrscheinlich einen Maximalwert für dieses Biotop darstellt. Hier fanden wir die erst 1993 aus dem weiter westlich gelegenen Rio Aroa System beschriebene Art gemeinsam mit anderen Salmlern, Characidium sp., Astyanax sp., Piabucina erythrinoides, Welsen, Chaetostoma nudirostre und Trichomycterus sp. sowie eine Wildguppypopulation. Hier hatten bereits 1995 Thomas Johannes und Lothar Helmdach aus Berlin gefischt und es war ihnen damals auch gelungen einige C. lepidus lebend mit nach Deutschland zu bringen. Die Creagrutus hielten sich bei unseren Aufenthalt überwiegend in den Kolken unterhalb der Kaskaden auf, wo es uns auch gelang mehrere Tiere zu fangen und schließlich auch lebend mit nach Deutschland zu bringen.

    Im Aquarium erwiesen sich die C. lepidus zunächst als relativ einfach zu pflegen. Sofort nahmen sie jegliches ihnen angebotene Futter an. Ich pflegte die etwa 15 Tiere in einem hellen, mit Geröll eingerichteten Aquarium mit ungefähr 80 cm Kantenlänge bei Temperaturen um die 24°C. Eine Strömungspumpe sorgte für die nötige starke Wasserumwälzung. Hier bot die Gruppe ein prächtiges Bild. Die bis etwa 7 cm Länge erreichenden Fische imponierten ständig einander wobei sie ihre weiß gesäumten Flossen zum Zerreißen spannten. Bei der Population aus den Cano Aqua Clara sind die unpaaren Flossen der Tiere zart orange gefärbt. Laut Aussage unseres Gastgebers Norbert Flauger ist die Färbung allerdings je nach Herkunftsort der Tiere sehr unterschiedlich. So soll es auch Populationen geben deren Flossen knallrot oder leuchtend orange gefärbt sind. Leider starben mir nach und nach alle C. lepidus ohne erkennbaren Grund. Hatte ich doch das falsche Futter? War das Aquarium zu klein? Creagrutus können nämlich sowohl untereinander als auch gegenüber anderen Fischen ziemlich aggressiv sein.

Creagrutus lassoi

    Einen weiteren in dieser Gegend im System des Rio Aroa und Rio Yaracuy endemischen Creagrutus lernten wir in den Aquarien von Norbert Flauger kennen. Das Foto entstand in einem seiner Aquarien. C. lassoi wurde erst im Jahre 2001 im Rahmen der Revision der cisandinen Creagrutus beschrieben. Er ist offensichtlich in der Aquaristik kein unbekannter, denn er wurde bereits in den 80er Jahren im Mergus-Aquarienatlas Bd. 2 unter der Artbezeichnung Creagrutus beni vorgestellt. Diese Art stammt jedoch aus dem Rio Beni in Bolivien, also mehrere tausend Kilometer entfernt. Seitdem ist C. lassoi aber offensichtlich nicht mehr lebend zu uns gelangt. Damals wurde die Art offensichtlich im Aquarium nachgezogen. Es fand eine Vorratsbefruchtung statt. Die nach Aussage des Autors größeren und farbenprächtigeren Weibchen legten dann die etwa 50-70 befruchteten Eier ohne Beisein eines Männchens ab. Sollte sich dieses Verhalten auch bei anderen Creagrutus und in den verwandten Gattungen bestätigen wäre meiner Ansicht nach ein Grund, für den gesamten Verwandtschaftskreis eine eigenen Familie, zumindest aber Unterfamilie aufzustellen. Dazu sind aber dringend noch weitere Untersuchungen notwendig. C. lassoi ist offensichtlich nahe mit C. lepidus verwandt, die beide zu den hochrückigeren Creagrutus zählen. Die Art trägt allerdings im Gegensatz zu C. lepidus einen kommaförmigen Schulterfleck während ihr dunkler Längsstreifen nicht durchgehend ist. Die Art soll laut Norbert Flauger ähnliche Biotope wie C. lepidus bewohnen, aber nicht mit dieser Art gemeinsam zu finden sein. Auf jeden Fall zählt C. lassoi zu den farblich sehr ansprechenden Creagutus.

 

Literatur:

Baensch, H.A. & R. Riehl (1985): Aquarienatlas Bd. 2: -Mergus Verlag: 270-271

Géry, J (1978): Characoids of the world. –T.F.H. Publications, Neptune City

Günther, A. (1864): Catalogue of the fishes of the British Museum. Catalogue of Physostomi, containing the families Siluridae, Cjaracinidae, Haplochitonidae, Scopelidae, Stomiatidae in the collection of the British Museum. –Cat. Fishes 5: 455 pp.

Harold, A.S. & R.P. Vari (1994): Systematics of the trans-andean species of Creagrutus (Ostariophysi: Characiformes: Characidae). –Smithson.Contr.Zool., Washington (551): 1-31

Johannes, T. (1996): Interessantes aus Venezuela. –BSSW-Report 3/96: 13-15

Vari, R.P., A.S. Harold, C.A. Lasso & A. Machado-Allison (1993): Creagruts lepidus, a new species from the Rio Aroa system, Yaracuy State, Venezuela (Teleostei: Characiformes: Characidae). –Ichthyol.Explor.Freshwaters 4(4): 351-355

Vari, R.P. & A.S. Harold (2001): Phylogenetic study of the neotropical fish genera Creagrutus Günther and Piabina Reinhardt (Teleostei: Ostariophysi: Characiformes), with a revision of the cis-andean species. –Smithson.Contr.Zool., Washington (613): 1-239

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